#JOMO in Neuseeland: Orte, die man (nicht) gesehen haben muss

Wenn es ein Land gibt, in dem "FOMO" ("Fear of missing out") erfunden wurde, dann ist es Neuseeland. Hinter jeder nächsten Biegung könnte ein noch schönerer Strand, eine noch grandiosere Aussicht, eine noch beeindruckendere Bergkette warten. Der inneren Stimme, die leise flüstert "es könnte noch besser werden", zu widerstehen, sich zufrieden zu geben, mit dem was ist, wird zur alltäglichen Herausforderung. Und dennoch gibt es auch Orte, die es dann doch überraschend leicht machen, zu bleiben.

Orte zum Bleiben: Kaikoura

An einem bestimmten Punkt während einer Reise wird das Bedürfnis, an einem Ort zu bleiben stärker, als die Sehnsucht, Neues zu entdecken. Sei es, weil man Geld verdienen muss oder weil man sich nach einer tiefer gehenden Verbindung sehnt. Ist man an diesem Punkt angekommen, findet man im Idealfall einen Ort, der sich selbst genügt. Ein Ort mit gemütlichen Cafés, einer gut sortierten Bücherei, einem Kino und vor allem der Möglichkeit, viel Zeit draußen zu verbringen. Kaikoura ist einer, wenn nicht sogar der Ort zum Bleiben auf der Südinsel. Zwar hat das Erdbeben im Jahr 2016 nicht nur im Landschaftsbild Spuren hinterlassen, doch gerade in der Nebensaison von April bis November, wenn die meisten Touristen in Richtung Queenstown und Wanaka aufbrechen und der kleine Ort zur Ruhe kommt, entfalten die schneebedeckten Berge und der Ozean eine magische Anziehungskraft.

 

Tipps für Kaikoura:

Kaffe trinken und Surfen in Raglan

In den Reiseführern spielt Raglan eine eher untergeordnete Rolle, in der Backpacker Community gilt die kleine Stadt an der Westküste der Nordinsel neben Wanaka und Queenstown hingegen als einer der Hotspots, die man gesehen haben muss. Mit seinen kleinen, individuellen Cafés, der lokalen Künstlerszene und den Hipstern, die diese Mischung aus erstklassigem Kaffee und Surfkultur anzieht, erinnert Raglan an eine kleinere Version des Schanzenviertels in Hamburg – mit mehreren erstklassigen Surfspots vor der Haustür.

Tipps für Raglan

 

  • Übernachten in ausgedienten Zugwagons mit traumhaften Blick auf das Meer im "Solscape" oder chillen im Hot Tub im zentraler gelegenen "Raglan Backpackers".
  • Den vielleicht günstigsten, aber auf jeden Fall einen der besten Kaffees im "Raglan Roast" genießen.
  • Surfen am Ngarunui Beach (geeignet für Anfänger), in der "Manu Bay", "Indicators" oder "Whale Bay".
  • Den "Bridal Veil Falls" etwa fünf Kilometer entfernt von Raglan besuchen.
  • Ansonsten chillen, am Strand spazieren, lesen, Leute beobachten.

Märchenhafter Milford Sound

Während manche Orte wie Kaikoura oder Raglan mehr Zeit brauchen, um ihre komplette Anziehungskraft zu entfalten, gibt es auch die leichter zugänglicheren Sehenswürdigkeiten. Orte, deren Szenerie auf den ersten Blick überwältigen. Milford Sound ist für mich eine dieser Orte. Ein "Must See" in Neuseeland und da ich weiß, dass nicht allzu viele, aber dafür die richtigen Menschen diesen Blog lesen, verrate ich euch ein Geheimnis: Die Landschaft entfaltet ihre intensivste Wirkung bei Sonnenauf- und Untergang. Eigentlich nicht zu schwer zu erraten, sollte man meinen, doch sowohl am Morgen als auch am Abend war ich jeweils fast komplett alleine.

Tipps für Milford Sound:

 

Grandiose Aussichten im Aoraki / MT Cook National Park

Die Welt ist nicht so einsam, wie es uns so mancher Reiseführer verspricht. Genauso sind die ausgetretenen Pfade vielleicht nicht die abenteuerlichsten, aber dafür die bequemeren und deswegen nicht weniger spektakulär. Der Aoraki / Mount Cook Nationalpark gehört in Neuseeland – ähnlich wie Milford Sound – zu den beliebtesten und dementsprechend meistbesuchten Sehenswürdigkeiten des Landes. In der Hauptsaison gibt es häufig schon zur Mittagszeit an den nahegelegenen Campingplätzen keinen Stellplatz mehr. Auch die relativ einfach zu erreichende Berghütte "Mueller Hut" ist bereits Monate im Voraus ausgebucht. Und dennoch ist diese wie aus dem Nichts auftauchende Bergkette so spektakulär und sehenswert, das auch der Aoraki / Mount Cook Nationalpark definitiv zu meinen Highlights zählt. Ähnlich wie bei anderen bekannten Sehenswürdigkeiten gilt auch hier:

Der frühe Vogel ... entkommt den Menschenmassen.

Tipps für den Mount Cook Nationalpark:

 

Surfen und wandern im Paparoa National Park

Punakaiki ist einer der Orte, in denen die meisten Besucher nicht länger als eine Stunde bleiben. 20 Minuten, um einen Parkplatz und den Eingang zu den "Pancake Rocks" zu finden. Weitere 20 bis 30 Minuten, um die an Pfannkuchen erinnernden Felsformationen zu bestaunen und Fotos zu schießen. 1o Minuten, um zurück zum Auto zu finden. Doch dieser Ort hat es verdient, länger zu bleiben. Nicht nur gehört das "Punakaiki Beach Camp" mit seiner optimalen Lage, direkt am Strand und doch umgeben von hohen Bäumen, zu einem der schönsten Campingplätze in ganz Neuseeland. Auch der angrenzende Paparoa Nationalpark bietet ein Netz aus gut ausgebauten Wanderwegen. Wer zusätzlich an Wassersportarten interessiert ist, findet hier zudem einen für Anfänger geeigneten Surfspot und die Möglichkeit, den Nationalpark mit SUPs oder Kayaks zu entdecken.

Tipps zum Paparoa Nationalpark

  • Übernachten im "Punakaiki Beach Camp".
  • Die berühmten Pancake Rocks besichtigen.
  • Einen Abschnitt des "Paparoa Tracks" wandern und den märchenhaften Regenwald erkunden.
  • In der an das Camp angrenzenden Surfschule (keine offizielle Website) ein Surfboard ausleihen oder eine Surfstunde nehmen.
  • Genug Nahrungsvorräte mitnehmen! Der nächste Supermarkt ist circa eine Stunde entfernt in Westport und die Restaurants bzw. Cafés in Punakaiki sind nur bedingt zu empfehlen.

Geheimtipp im Nordwesten: Die Opara Arches

Ein Geheimtipp sind die "Opara Arches" – ein Höhlensystem im Nordwesten der Südinsel – eigentlich nicht. In jedem Reiseführer liest man von ihrer Existenz. Dass sie so wenig besucht sind, liegt an ihrer abgeschiedenen Lage. Um zu den Höhlen im Regenwald zu gelangen, fährt man wortwörtlich bis ans Ende der (zivilisierten bzw. bewohnten) Welt. Hier, nördlich von Karamea gibt es zwei Farmen und einen Campingplatz bis die befahrbare Straße endet und in den Kahuarngu Nationalpark mündet. Diese Abgeschiedenheit ist genau das, was den Reiz dieses Ortes ausmacht.

Tipps für Karamea und die Opara Arches:

  • Auf der Fahrt nach Norden einen Stop in "Hector" einlegen, um im Campground "Gentle Annie" die Akkus aller elektronischer Geräte aufzuladen, eine warme Dusche zu nehmen oder einfach einen Kaffee zu trinken. Das Preis-Leistungsverhältnis ist unschlagbar.
  • Einschlafen mit dem Klang der Wellen auf dem "Kohaihai Conservation Campground" (Bezahlen in Bar, kein Strom, kein Handy-Empfang).
  • Wanderung zum "Scotts Beach".
  • Wanderung zu den unterschiedlichen Höhlen im Oparara Arches Basin.

Campen und Wandern im Nelson Lakes Nationalpark

In Neuseeland gibt es nicht viel, vor dem man Angst haben muss. Nur eine giftige, aber nicht tödliche Spinne und so gut wie keine lebensbedrohlichen Krankheiten. Die wirkliche Gefahr ist Unwissenheit und Selbstüberschätzung. Als ich auf dem Weg zur "Angelus Hut" über Steinlawinenfelder klettere und in mehrere Hundert Meter tiefe Abgründe blicke, frage ich mich, ob es wirklich so eine gute Idee war, diese Wanderung alleine zu unternehmen. Rückblickend wäre es sicherlich vernünftiger gewesen, mich einer Gruppe anzuschließen. Allerdings habe ich unterwegs auch Wanderer getroffen, die den Weg bei Dunkelheit und unter Drogeneinfluss gemeistert haben. Letztendlich ist also alles relativ. Was allerdings sicher ist, ist dass dieser Hike zu den Beeindruckendsten gehört, die ich jemals unternommen habe.

 Tipps für den Nelson Lakes National Park

  • Das Wichtigste zuerst: Das Anti Moskitospray nicht vergessen! Der Nelson Lakes National Park ist einer der Hotspots für Sandflies.
  • Camping  in Saint Arnaud auf einem der drei Campgrounds. (Mein Favorit ist der West Bay Campground)
  • Wanderung zur "Angelus Hut" und weiteren Hütten im Nationalpark. Empfehlenswert für alle, die die notwendige Ausrüstung und Zeit mitbringen.
  • Abkühlen im Lake Rotoiti
  • Fish and Chips im "St Arnaud Fish and Chips"

Glenorchy und Moke Lake: Willkommen im Paradies

Vergesst "Herr der Ringe" oder "Der Hobbit". Neuseeland hat noch viele weitere großartige Produktionen zu bieten. Zum Beispiel die Serie "Top of the Lakes" von Jane Campion und Gerard Lee.  Seitdem ich die zugleich poetische, mystische und spannende Serie zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich dass ein Besuch der original Filmschauplätze rund um Queenstown und Glenorchy auf meiner "Must See" Liste für Neuseeland auf keinen Fall fehlen darf.

Tipps für Moke Lake und Glenorchy:

  • Genügend Zeit für die Fahrt von Queenstown nach Glenorchy einplanen, um Pausen für Fotos einzulegen.
  • Campen am Moke Lake "Moke Lake Campsite".
  • Die Stille und die Szenerie genießen.
  • Nachts in den Sternenhimmel schauen und dabei "Wicked Game" von Chris Isaak hören.
  • Einen Abschnitt oder den gesamten "Routeburn Track" wandern.

Feuer und Eis im Tongariro Nationalpark

Wer im Tongariro National Park nach Einsamkeit und Abgeschiedenheit sucht, der sollte die Hauptsaison im Januar/Februar genauso wie das "Tongariro Alpine Crossing" meiden. Was beides ziemlich schade wäre, denn der Nationalpark mit seiner steppenartigen Landschaft, seinen türkisblauen Kraterseen und seinen teils aktiven Vulkanen ist durchaus einen Besuch wert. Wer den Besuchermassen ausweichen will, kann den Park auf anderen auch durchaus sehenswerten Wandertouren erleben.

Tipps für den Tongariro National Park

verzauberte Wälder im Egmont National Park

So sehr sich das Tourismusmarketing von Neuseeland bemüht, die beiden Inseln im Pazifik als reine und grüne Nation zu vermarkten, so schnell wird deutlich, dass sich das Werbeversprechen nicht mit der Realität deckt. War Neuseeland vor Eintreffen der ersten Menschen noch zu 80 Prozent mit Wald bedeckt, sind es heute nur noch 24 Prozent. Vor allem die wachsende Agrar- aber auch die Tourismusindustrie haben sichtbare Narben und Spuren in der Landschaft hinterlassen. Umso beeindruckender sind die Oasen, in denen der ursprüngliche Regenwald noch intakt und erhalten ist. Eine dieser grünen Inseln liegt am "Surf Highway" rund um den Vulkan "Mt Taranaki" im Westen der Nordinsel.

Tipps für den Egmont National Park

Urlaubsstimmung in der Bay of Islands

Bei meinem ersten Besuch in Neuseeland habe ich den Ratschlag meines Reiseführers befolgt und die "Bay of Islands" ausgelassen. Bei meinem zweiten Besuch in Neuseeland hat mich ein "WWOOFING" nach Paihia an die Ostküste der Nordinsel geführt. Im Reiseführer heißt es, dass diese Region vor allem im Sommer überlaufen ist und man deshalb besser auf andere Orte ausweichen sollte. Im Frühsommer (Mitte Dezember) habe ich davon jedenfalls noch nichts bemerkt. Ganz im Gegenteil. Anstelle von Menschenmassen sehe ich türkisblaues Wasser, einsame weiße Sandstrände, entdecke spannende Künstler und werde auf einen Segeltrip eingeladen.

Tipps für die Bay of Island

  • Übernachten in der "Haka Lodge" in Paihia. Hostel mit dem besten Ausblick auf das Meer und stabilen Etagenbetten mit Vorhängen - Hallelujah!
  • Roadtrip zu "Cape Reinga" – dem nördlichsten Punkt Neuseelands.
  • Auf dem Weg dorthin Stops an verschiedensten Stränden und Wasserfällen. Besonders sehenswert sind die "Rainbow Falls" bei Kerikeri und die "Whale Bay" an der Tutukaka Coast
  • Einen Segeltrip im Idealfall mit Übernachtung unternehmen

Von "Fomo" zu "JoMO"

Nachdem ich ein Jahr durch Neuseeland gereist bin, würde ich nicht sagen, dass der Besuch von möglichst vielen Orten meine Reise besonders gemacht hat. Viel prägender war die Erkenntnis, dass die Qualität einer Reise nicht von der Anzahl der besuchten Orte bestimmt wird. Man muss nicht alle oben genannten Sehenswürdigkeiten mit eigenen Augen gesehen haben, um Neuseeland wirklich erlebt und bereist zu haben. Es lohnt sich mehr Zeit an wenigen ausgewählten Orten verbringen, als möglichst viel in einen kurzen Zeitraum zu stopfen. Das senkt nicht nur das Stresslevel, sondern ermöglicht es auch, echte Verbindungen aufzubauen. Dementsprechend: JOMO Freunde! Die Freude an der Lücke ist letztendlich wirklich schöner als die Angst, etwas zu verpassen.

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