Urlaub in Deutschland? Bei dem Gedanken an linear aufgeforstete Nadelwälder, eintönige Kulturlandschaften, aufgeschüttete Sandstrände und künstlich erzeugte Baggerseen habe ich mich lieber in die Ferne geträumt. Doch gerade die Erfüllung dieses Traums – meine Reise ans andere Ende der Welt – hat mich wieder neugierig gemacht und mich dazu bewegt, meine Vorurteile in Frage zu stellen.
Urlaub in Deutschland? "Och nö... Hier gibt es doch eh nichts zu entdecken!"
Zum einen ist mir während dieser Reise klar geworden, dass ich in sechs Monaten mehr Orte in Neuseeland gesehen habe, als ich in 23 Jahren in Deutschland besucht habe; zum anderen ist mir bewusst geworden, dass sich die Landschaften auf diesen beiden abgelegenen Inseln am anderen Ende der Welt teilweise gar nicht so sehr von den Landschaften in Deutschland unterscheiden.
Die ausgedehnten Weideflächen auf der Nordinsel, die Nadelwälder und Seen im Süden haben mich an meine Heimat in Hessen erinnert (lediglich die grasenden Hirsche am Straßenrand waren etwas irritierend), während die schneebedeckten Berge im Westen und die mit Gras bewachsenen Dünen im Osten der Südinsel Kindheitserinnerungen an Urlaube an der Nordsee oder in Bayern geweckt haben.
Die Landschaften in Deutschland und in Neuseeland unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf ihre Ursprünglichkeit. Wandert man durch einen Wald in Neuseeland, vorbei an Baumfarnen und umgestürzten, moosbewachsenen Bäumen, bekommt man einen Eindruck davon, wie sich die Natur (weitestgehend) ohne menschliches Eingreifen entwickelt (hat), was natürlich auch damit zusammenhängt, dass hier nur rund vier Millionen Menschen leben.
Fasziniert von diesen Erlebnissen hat mich nach meiner Rückkehr aus Neuseeland eine Frage beschäftigt: Gibt es auch in Deutschland solche "ursprünglichen" Landschaften, die sich (weitestgehend) ohne menschlichen Einfluss entwickeln?
Von Zauberwäldern und majestätischen Bergseen
Bei meiner Recherche bin ich auf den Nationalpark Berchtesgaden gestoßen und ein halbes Jahr später dorthin gereist. Das Konzept des Nationalparks, das beinhaltet, die Natur sich weitestgehend selbst zu überlassen und damit die wilde Schönheit der Landschaft zum Vorschein zu bringen, ist aufgegangen. Die mit Moos und Flechten bewucherten Bäume, wachsen dort, wo es ihnen gefällt und nicht in von Menschen festgelegten Strukturen. Tote Bäume werden von Pilzen und Moosen besiedelt und bieten unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten Nahrung, Lebensraum und Schutz. Jeder Schritt durch die Wälder des Parks zeigt, wie die Natur in Deutschland aussehen kann, wenn darauf verzichtet wird, in das Ökosystem des Waldes einzugreifen.
Doch nicht nur die Urwälder des Nationalparks, auch die glasklaren Bergseen, in denen sich das Antlitz der Alpen spiegelt und natürlich die Berge selbst haben mich in ihren Bann gezogen und meine Vorurteile gegenüber Deutschland als Reiseziel widerlegt, sodass ich im September noch einmal in den Nationalpark zurückgekehrt bin.
In diesem Fotoessay möchte ich euch zeigen, dass man nicht an das andere Ende der Welt reisen muss, um außergewöhnliche Landschaften zu entdecken. Dafür nehme ich euch mit zum Zauberwald, einem kleinen Wäldchen am Ufer des Hintersees in Ramsau und zum Fuß des Watzmanns, dem 2.713 Meter hohen Wahrzeichen des Berchtesgadener Nationalparks.