Ich mach das jetzt!

Ein „One-Way-Ticket“ buchen, einfach loszuziehen, ohne große Pläne, ohne Zeitdruck – diese Idee hat mich schon immer fasziniert. Oft habe ich an meinem Schreibtisch vor mich hingeträumt, von Abenteuern und grenzenloser Freiheit. Nachdem ich mich immer wieder gefragt habe: Was wäre wenn? Kam mir irgendwann der Gedanke: Was wäre, wenn ich es einfach mache? 

Vor einiger Zeit habe ich also beschlossen, nicht länger vor mich hinzuträumen, sondern den Traum in die Tat umzusetzen. Ich habe meinen festen Job, mein WG-Zimmer und mein Auto gegen ein Flugticket nach Neuseeland getauscht. Man lebt ja schließlich nur einmal: "Yolo", "Lebe deinen Traum" und so weiter.

Warum ich bereit bin das alles hinter mir zu lassen?

 

Irgendwie war da schon immer eine große Sehnsucht nach der Ferne. Schon früh wusste ich, dass ich das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, irgendwann verlassen und die Welt bereisen möchte – trotzdem hat es lange gedauert, bis ich nun endlich den Mut gefunden habe loszugehen.

Mit 19 Jahren, bestandenem Abitur und bewilligtem Bafög Antrag in der Tasche, bin ich von Zuhause ausgezogen. So habe ich die erste Hälfte meines Vorhabens wahr gemacht.

Die zweite Hälfte habe ich in den darauffolgenden Jahren immer tiefer unter Ausreden, Klausurphasen, Zukunftsängsten, Umzügen und den Herausforderungen des Berufseinstiegs vergraben.

Ab und an hat sich das Fernweh zwar immer wieder einen Weg durch die Routinen des Alltags gebahnt, doch die Ausreden waren immer stärker:

Vergangenheits-Ich: „Ich würde ja gerne aber, ich habe doch gar kein Geld …“

Gegenwarts-Ich: "Letztes Jahr habe ich einen Brasilianer kennengelernt, der für Kost und Logis in einem Surfcamp arbeitete und nur noch 60 Euro für zwei Monate übrig hatte: 'Das reicht noch für die wichtigen Dinge: Schokolade, Bier und was zu rauchen,' meinte er lachend und sagte schulterzuckend: 'Danach sehe ich weiter.'"

Vergangenheits-Ich: „Ich würde ja gerne, aber warum soll ich eine glückliche Beziehung aufs Spiel setzen?“

Gegenwarts-Ich: "Will ich wirklich mein Leben mit einem Menschen teilen, der meine Träume nicht akzeptiert und unterstützt?"

Vergangenheits-Ich: „Ich würde ja gerne, aber nur sehr wenige sehr glückliche Menschen können davon leben, um die Welt zu reisen, Geschichten zu erzählen und Fotos zu machen. Warum sollte gerade ich so viel Glück haben?“

 

Gegenwarts-Ich: "Warum nicht?"

 

Während meines Studiums kamen dann aber doch die ersten Zweifel.  Nachdem gefühlt jede/r Dritte meiner Komilitoninnen und Komilitonen ein Semester im Ausland verbrachte und die meisten motivierter, entspannter und irgendwie zufriedener zurückkamen, wurden meine Ausreden immer leiser. Die Sehnsucht nach der Ferne dafür immer lauter. Also nahm ich mehr Job-Aufträge an, gab weniger Geld aus und plante meine erste Reise nach Neuseeland.

Die sechs Monate gingen natürlich viel zu schnell vorbei. Trotzdem weiß ich noch, dass ich auf dem Rückflug nach Hause dachte: „Diese Zeit am anderen Ende der Welt ist das Beste, was mir je passiert ist. Besser wird’s nicht mehr. Wenn ich jetzt sterbe, sterbe ich glücklich.“

 

Es fühlte sich an wie eines dieser kitschigen Happy Ends in einem Hollywood-Film. Nur war mein Leben glücklicherweise nicht zu Ende.

 

Bereits einen Tag nach meiner Rückkehr musste ich wieder zurück zur Uni: „Anwesenheitspflicht“. Das war gut, denn so kam ich schnell wieder in meinen Alltagsrhythmus und hatte keine Gelegenheit, mich in Gedanken über die Banalitäten des Alltags zu verlieren. Allerdings hatte so auch die gerade wiederentdeckte Idee, die Welt zu bereisen wenig Raum, um sich weiter zu entfalten.

Erst der Berufseinstieg hat mir gezeigt, wie sehr es mir fehlt, mich frei bewegen zu können. Ich habe mich zwar wohl, aber oft auch eingeengt gefühlt, in dem kleinen Büro mit den großen Fenstern.

Trotzdem bin ich geblieben. Weil die Arbeit spaß machte, weil ich viel gelernt habe und die Kollegen großartig sind. Doch nach einiger Zeit wurde das Bedürfnis auszubrechen und aufzubrechen immer größer, bis mir klar wurde: Bleiben ist keine Option.

Wenn ich so darüber nachdenke, wundere ich mich manchmal, woher dieser Drang kommt. Es gab nicht diesen einen Auslöser: kein Lottogewinn, kein Scheitern, kein gebrochenes Herz und kein schlechtes Arbeitsumfeld.

 

Im Gegenteil:

Eigentlich habe ich alles, um zufrieden zu sein: einen liebevollen Partner, tolle Freunde, einen spannenden Job, ein bezahlbares WG-Zimmer mit den besten Mitbewohnerinnen und einer Dachterrasse in einer schönen kleinen Stadt mit netten Menschen.

Und doch überstrahlt dieses Bedürfnis, auszubrechen und die Welt zu bereisen alles Andere. Es ist so groß, dass ich bereit bin, das alles hinter mir zu lassen.

 

Trotzdem sagte mein Verstand: Bleib! Zu gehen wäre das Verrückteste, was du jemals tun wirst. Aber mein Herz sagte: Geh! Zu gehen ist das Beste, was du jemals tun wirst.

 

Der Tag, an dem ich beschlossen habe zu gehen, liegt so weit zurück, dass ich ihm keinen Wochentag und kein Datum zuordnen kann. In meiner Erinnerung sehe ich mich mit fünf oder sechs Jahren auf dem Boden vor einem Globus sitzend. Ich halte den aufblasbaren blauen Wasserball in beiden Händen und frage mich, ob die Menschen auf der unteren Hälfte, dort wo die Kängurus über eine gelbe Fläche hüpfen, auf dem Kopf stehen.

Ich erinnere mich aber noch an den sonnigen Tag im Juli, an dem ich endlich aufgebrochen bin. Am Nachmittag dieses Donnerstags bin zu meinem Chef gegangen und habe ihm von meinen Plänen erzählt.

Ich weiß noch, wie mir fast die Tränen kamen, als ich anschließend meinen Kollegen von meiner Entscheidung erzählt habe. Wie aufgeregt ich auf den „richtigen“ Zeitpunkt gewartet und wie erleichtert und überrascht ich war, dass sich alle für mich gefreut haben und mich sogar verstehen konnten.

Von da an gab es kein zurück mehr. Das vermeintliche Sicherheitsnetz war durchtrennt. Klar, wusste ich schon einige Wochen und Monate vorher, dass ich diesen Schritt gehen würde, habe nach Flügen geschaut, Geld gespart und mich über organisatorische Dinge informiert, doch die Kündigung war für mich der entscheidende Schritt. Ich wusste, erst wenn ich den Mut finde, das zu tun, dann fühle ich mich wirklich frei.

Seit der Kündigung sind nun fast drei Monate vergangen. Am Freitag hatte ich meinen letzten Arbeitstag. In zwei Wochen geht es los. Zu sagen, dass ich keine Angst habe, wäre eine Lüge, aber auch wenn die Abschiede schwer fallen und ich nicht weiß, wohin mich mein Weg führen wird, bin ich dennoch überglücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. Ich freue mich unglaublich auf das, was vor mir liegt und kann es nicht erwarten, euch auf meiner Reise mitzunehmen.