Gedanken zur Weihnachtszeit

Wann hat man eigentlich angefangen, die Zeit zu messen? Sie in Päckchen zu verpacken, ihr Zahlen zuzuordnen und sie zur obersten Maxime zu ernennen. Gerade jetzt in der sowieso schon hektischen Vorweihnachtszeit wundere ich mich darüber, wie hektisch die Zeiger meiner Wanduhr von einer Ziffer zur nächsten wandern. Hat die Zeit den Turbomodus eingelegt?

Ein kurzer Abgleich mit meiner Handyuhr zeigt: Mit der Uhr an der Wand ist alles in Ordnung. Wie kann ich also vom Fehlen der Zeit schreiben, wenn jeder Tag nach wie vor 24 Stunden, jede Stunde 60 Minute und jede Minuten 60 Sekunden hat?

 

Seitdem ich Vollzeit im Berufsleben angekommen bin, hat Zeit eine besondere Bedeutung für mich bekommen. Zum ersten Mal in meinem Leben (abgesehen von nebenberuflichen Tätigkeiten) werde ich dafür bezahlt, meine Zeit für bestimmte Aufgaben zu investieren.

Zeit ist Geld - Geld ist Zeit ?

Der Tauschhandel ist also: Zeit und Leistung gegen Geld.

 

Die oft genutzte Redewendung „Zeit ist Geld“ suggeriert, dass Zeit und Geld - im Hinblick auf ihre Wertigkeit - gleichgestellt sind. Doch in unserer Gesellschaft besitzt Geld einen höheren Stellenwert als Zeit.

 

Wenn wir von reichen Menschen, Millionären oder Milliardären sprechen, dann reden wir meistens von Menschen, die viel Geld besitzen.

 

Oder ist jemand schon mal auf die Idee gekommen, einen arbeitslosen Menschen als reich zu bezeichnen?

 

Reichtum ist in unsere Gesellschaft also gleichgesetzt mit Besitz und in erster Linie mit dem Besitz von Geld. Doch Zeit kann man nicht besitzen. Sie ist einfach da. Die Frage ist, was wir mit ihr machen und, ob wir frei über sie verfügen können.

 

Wer sein Geld nicht durch Investitionen verdient, reich erbt oder im Lotto gewinnt, muss seine Zeit und seine Arbeitskraft einsetzen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er oder sie kann also nur bedingt über seine bzw. ihre Zeit verfügen.

 

Doch wie viel Geld brauchen wir eigentlich, um ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen und wann fangen wir an, uns unser eigenes Gefängnis aus Krediten und Statussymbolen zu bauen, weil wir denken, wir müssten den Ansprüchen anderer genügen.

 

Eine ähnliche Frage habe ich mir in diesem Jahr auch im Hinblick auf das anstehende Weihnachtsfest gestellt. Wie viel Geld kann und möchte ich investieren, um meine Liebsten zu beschenken? Wird von mir erwartet, dass ich jetzt, wo ich seit einiger Zeit Vollzeit arbeite, teurere Geschenke kaufe? Muss und will ich diese Erwartungen erfüllen, um meinen Freunden und meiner Familie eine Freude zu bereiten?

Weihnachten? Ich bin raus - oder doch nicht?

Ein Kollege ist ausgestiegen aus dem Weihnachtszirkus. Er verschenkt nichts und möchte im Gegenzug auch keine Geschenke bekommen. Das vielleicht einfachste Rezept, um sich den jährlichen Geschenke-Kauf-Wahn und die Panik-Attacke kurz vor dem Fest zu ersparen.

 

Wenn ich daran denke, wie Viel Zeit ich investieren muss, um das Geld für diese Geschenke zu verdienen und sie zu kaufen. Wenn ich darüber hinaus daran denke, dass ich mich am Samstag wieder mit anderen gestressten Menschen durch die  überfüllte Fußgängerzone quetschen werde, mich von einem Geschäft in das nächsten schieben lasse, nur um dann am Ende doch alle Geschenke online zu bestellen, dann ist dieser Gedanke durchaus verlockend.

 

Mich der Weihnachtszeit komplett zu entziehen, kommt für mich allerdings nicht infrage. Dafür mag ich es einfach zu sehr, meiner Familie und meinen Freunden eine Freude zu bereiten.

 

Was also tun?

 

In diesem Jahr werde ich zu Weihnachten keine materiellen Güter, keinen Besitz verschenken, sondern meine Zeit. Und zwar an diejenigen,  die mir wirklich etwas bedeuten.

 

Foto: (c) Tim Mossholder