Surfen lernen in Portugal

Der beste Surfkurs im Alentejo Surfcamp. (c) Salomé Weber

„Die Abwässer von der Fabrik da hinten sind nicht gefährlich", sagt unser Surflehrer und zeigt in Richtung einer Fabrikanlage. "Wenn wir Glück haben, bringt die Strömung das warme Wasser zu uns in die Bucht, dann können wir uns ein bisschen aufwärmen", ergänzt er lachend.

Ich bin noch nicht 100 prozentig überzeugt, beschließe aber ihm zu vertrauen.

Immerhin verbringt er fast jeden Tag hier an diesem Strand.

Entschlossen greife ich nach dem Reisverschluss meines Neoprenanzugs, ziehe ihn nach oben, nehme mein Surfboard und gehe mit den Anderen zum Wasser.

So beginnt meine erste Surfstunde an einem fast menschenleeren Strand etwa drei Fahrstunden südlich von Lissabon.

Lektion 1: Surfbretter sind schwerer, als man denkt

Surfromantik in der Nähe von Vila del Milfontes in Portugal. (c) Salomé Weber

Das Wetter meint es gut mit uns an diesem 1. Oktober. Das Thermometer zeigt 27 Grad bei strahlendem Sonnenschein. Vor uns liegt das Meer, hinter mir die erste große Herausforderung:

Das große und schwere Anfänger-Surfboard zum Strand heruntertragen. Unter dem dicken Neoprenanzug bin ich schon vor der Surfstunde ins Schwitzen gekommen.

So lerne ich meine erste Lektion: Den Anzug erst über den Oberkörper ziehen, wenn man ins Wasser geht. Zumindest dann, wenn man in einer Region surft, in der die Außentemperaturen heiß, aber die Wassertemperatur kalt ist.

Lektion 2: Lauf nie vor einer Welle davon

Was bei Valeria und André so leicht aussieht, ist in Wirklichkeit ziemlich schwer – vor allem, wenn man (noch) nicht genügend Muskeln in den Armen hat . (c) Salomé Weber

Nach ein paar Aufwärmübungen und einer kurzen Einweisung gehen wir zum ersten Mal mit unseren geliehenen Surfbrettern ins Wasser. Schon nach wenigen Schritten türmt sich die erste Welle auf. Während sich alle anderen einfach hineinwerfen, überlege ich noch, wie viel Zeit mir bleibt, um wieder zurück zum Strand zu laufen.

So lerne ich meine zweite Lektion: Versuche nie vor einer Welle davonzulaufen. Du hast sowieso keine Chance.

Während der nächsten Tage habe ich gelernt, das Meer zu lieben, aber auch zu fürchten. Die Energie, die freigesetzt wird, wenn man den richtigen Moment erwischt, die Balance findet und mit dem Surfbrett über das Wasser gleitet. Die Furcht, die aufkommt, wenn sich das Wasser mehrere Meter (gefühlte Größenangabe) auftürmt und die Ruhe, die man spürt, wenn man unter dieser Welle hindurchtaucht.

Je mehr Zeit vergeht, desto besser kann ich einschätzen, bei welchen Wellen es sich lohnt zu paddeln, bei welchen Wellen ich einfach entspannt auf meinem Surfbrett sitzen bleiben kann und bei welchen Wellen ich besser untertauchen sollte. Natürlich helfen dabei auch die Rufe unseres Surflehrers: „There’s a good one coming. Start paddling now“ , aber auch: „This is a big one. You better dive."

Lektion 3: Angst ist berechtigt

In den Mittagspausen sitzen wir gemeinsam in der Strandbar vor den rauchenden Schloten.
Nach der Pause geht es wieder ins Wasser. Diese Surfstunden, bei denen die tief stehende Sonne das Meer und den Strand in ein orangefarbenes warmes Licht taucht, kommen mir manchmal surreal vor. Ich genieße es, auf meinem Surfbrett zu liegen, die Hände im Wasser, die Augen geschlossen und die wärmende Sonne auf der Haut zu spüren. Wo das Meer aufhört und der Horizont anfängt – wen interessiert das noch? 

Sobald dann aber wieder eine Welle kommt, bin ich fokussiert. Entweder aus Vorfreude oder Angst. Noch nie habe ich diese beiden Gefühlszustände so schnell hintereinander und manchmal auch gleichzeitig gespürt. Und noch nie hatte ich das Gefühl so „da“ zu sein.

Der Abschied vom Meer fällt von Tag zu Tag schwerer. Doch die nahende Dunkelheit und die müden Muskeln steigern die Vorfreude auf die wesentlichen Dinge: duschen, essen, die Augen schließen und den Nachhall der Wellen spüren.